Gerade gelesen und köstlich dabei amüsiert. Herrlich.
Zitat von wtf-mod Der Manufakturgedanke im übertragenen Kontext
Präambel Um die Sache mal unverfänglich, neutral und ohne Einwürfe von sich betroffen fühlenden Fanatikern diskutieren zu können wende ich einfach mal auf ein anders, nicht weniger heikles Themengebiet an. Auch wenn es sehr absurd klingt, so ist es doch ernst, die U(h)rsache der Absurdität soll gerade offengelegt werden.
Die Gemeinsamkeiten zwischen gewähltem Beispiel und mechanischen Uhren sind zweifelsohne gegeben: beides ist für seine Fans fast existentiell, wer's erfunden hat ist nicht mehr nachvollziehbar und über die richtige Technik, Komposition und Optik sind erbitterte Kriege geführt worden.
Lasst uns über Kässpätzle nachdenken.
Ab wann ist eine Portion Kässpätzle würdig, den Begriff Manufakturkässpätzle zu tragen? Als Ausgangspunkt erhebe ich einfach mal den Anspruch, dass meine selbstgemachten es wären. Abgeleitet daher, dass ich den Spätzleteig aus Eiern, Mehl, Salz und Wasser selber herstelle (pro Ei 100 – 125 gr. Mehl, eine kl. Prise Salz und nach Gefühl ein paar Esslöffel Wasser), manuell mit einem alten glatten Holzkochlöffel bis zum Blasenwerfen durchrühre. Anschliessend wird der Teig in eine Spätzlepresse gefüllt und von hand mit der in langjähriger Praxis optimierten Kombination aus Druck und Geschwindigkeit in kochendes Salzwasser fallen gelassen.
Seit einigen Jahrzehnten ist der Vormarsch der Tütenspätzle zu beobachten. Der Widerstand der konservativen Kässpätzleanhänger hat deren Einsatz jedoch auf Anlässe wie Camping, Skihütten oder ähnliches beschränkt. Die Industrie reagiert mittlerweile mit dem Angebot von "Frischspätzle" aus dem Kühlregal, bei denen dadurch der immer noch gegebene Zusammenhang mit "aus der Tüte" kaschiert werden soll.
Schon weit vorher schreien aber die ersten Traditionalisten, die sogar auf "vom Brett geschabt" bestehen. (hier ist wohl eine Erklärung für die Einwohner von Nichtspätzleregionen erforderlich: der zähe Teig wird in kleinen Schöpflöffelportionen auf ein spezielles, unten mit einer messerartigen Kante versehenes Holzbrett geklatscht und von dort mit einem grossen Küchenmesser kleine Streifen über diese Kante "geschabt", von wo sie ins kochende Wasser plumpsen. Aufgrund der Klebrigkeit der Masse kommt es dabei zu Störfällen, so dass eine zu grosse Masse ins Wasser rutsch, das Ergebnis hat abfällige, regional sehr unterschiedliche Bezeichnungen) Mit anderen Worten, nur wirkliche Meister des Metiers erreichen optisch und sensorisch die Qualität des gepressten Spätzles. Geschmacklich ist das geschabte und gepresstes ebenbürtig.
Nach kurzer Zeit schwimmen die fertigen Spätzle auf und werden mit einem Schaumlöffel möglichst trocken abgeschöpft. Hier beginnt nun die zweite Phase. Unabdingbar ist der Käse, der klein gemacht hinzugefügt wird. Womit der nächste Nebenkriegsschauplatz eröffnet wäre: Unterheben des Käses oder oben drauf? Dies Frage kann die Heirat von Nachkommen aus unterschiedlichen Traditionen verhindern. Die Frage der Käsesorte ist relativ einfacher, in käseproduzierenden Regionen ganz einfach: der "Hiesige".
Ein krasse Verletzung des Manufakturgedankens wäre die Verwendung von fertig geriebenem Käse! Obwohl der eigentliche Vorgang der Zerkleinerung vollkommen unkritisch ist und selbst ungeübtem, nicht angelerntem Hilfspersonal übertragen werden kann, will der Kässpätzlefreund diesen Vorgang unbedingt "inhouse" haben. Die Begründungen gehen von Veränderungen des Feuchtegehalts beim Lagern im geriebenen Zustand bis zur qualitativ sensorischen Wareneingangsprüfung.
Weitere Streitpunkte sind die optionalen Komplikationen: Weitere Zugaben zur eigentlichen Grundfunktionalität. Da wären mal die Röschdzwieble und auch der Speck. Anhand dieser, ebenso wie beim Käs' endet üblicherweise der Manufakturgedanke. Weder die Herstellung von Käse aus Milch, noch die Schlachtung und anschliessende rauch- und lagertechnische Veredelung des Schweinefleisches werden üblicherweise als notwendiges Kriterium angesehen. Dabei wäre bei einer umfangreicheren Kässpätzleproduktion die durchaus denkbar, dann nämlich, wenn der Umsatz mindestens ein, zwei Schweine und ein paar Räder Käse im Jahr erreicht. Für den Kleinkässpätzleproduzent, auch "Single" genannt ausserhalb jeder Möglichkeit, angesichts des Wunsches auch nach nur minimaler kulinarischer Vielfalt. Sind also dessen Kässpätzle a priori denen des Fertigers mit eigener Agrarabteilung unterlegen? Bevor wir darauf eine Antwort suchen, müssen wir das Problem etwas globaler betrachten. Als höchste Stufe des Kässpätzlegenusses gilt weitestgehend nicht die die Fertigung im eigenen Haus! Darüber rangiert noch eine andere Stufe, gemeinhin "die von Mutti" genannt. Dies ist jedoch ein rekursives Verfahren, denn wie an den Familienfesten klar von Onkels und Tanten zum Ausdruck gebracht wird, ist wiederum "die von Muttern" (Muttis oder Papies Mutter) unübertreffbar. Ein Weg, der uns zur schliesslich doch zur ungeklärten Frage des U(h)rsprungs führen würde.
Die notwendigen Gegenleistungen, um in den Genuss von Muttis Kässpätzle zu kommen stellen schon eine nicht zu vernachlässigenden Faktor dar. Das Spektrum reicht von x-ten Anhören der peinlichen Geschichte, wie man als kleines Kind ... bis hin zu umfangreichen Reparaturarbeiten an diversen Gebäudeteilen. In den letzten Jahren ist auch noch die Hilfestellung an neueren technischen Objekten wie Handys, Videorekordern oder Computern hinzugekommen.
Dem gegenüber stehen die Kosten, die bei einer Nutzung von kommerziellen Kässpätzleerzeugern stehen. Besonders seit der Einführung des Euros stehen diese in der Kritik, das die Materialkosten des Produktes in keiner vernünftigen Relation zum Endverbraucherpreis stehen würde. Aber dies ist Bestandteil einer anderen Diskussion, die nichts mit dem Manufakturbegriff zu tun hat und den Rahmen hier sprengen würde.
Vielmehr geht es darum, dass hier eine strikte Arbeitstrennung stattfindet, und die Bezahlung nicht mehr auf Zeitbasis und Be- oder Entlohnung stattfindet. Sondern auf Auftragsbasis , die Beziehung endet primär mit der Bezahlung und wird nur wiederholt, wenn das Ergebnis für den Kunden befriedigend war, also als "Qualität" empfunden wurde. Wonach entscheiden? Geschmack, Menge, Optik.
Aber wen interessiert, ob der Wirt Besitzer, Pächter oder Angestellter ist. Wobei die Frage doch eigentlich den Koch und nicht den Wirt betreffen sollte. Nehmen wir mal den kulinarisch manchmal sehr problematischen Fall an, die Kässpätzle wären von der Firmenkantine. Schmecken sie schlechter, weil die Kantine "outgesourced" wurde, also als selbständige juristische und finanzielle Einheit geführt wird, im Vergleich zu der Kantine, die konservativ als Abteilung der Firma geführt wird? Selbst dann, wer weiss denn von den Kantinenessern, wer in der Küche festangestellt ist, und wer von einer Zeitarbeitsfirma kommt?
Aber zurück zum Begriff Manufakturkässpätzle. Der schlechte Ruf der Tütenspätzle und es Fertigreibekäses ist Fakt. Der Preisdruck durch die GeizIstGeilKunden, die den Digestiobstler aufs Haus und umsonst erwarten und am Salatbufett die Schale mit Kopfsalatspundwänden ausstatten. Bei denen sich die berechtigte Frage stellt, wieviele davon überhaupt in der Lage sind, aus eigenem Wissen heraus Tüten~ von frischgemachten Spätzle zu unterscheiden. Ist ein verwerfliches Handeln des Wirtes, wenn die Gäste mit den Tütenspätzle zufrieden sind, (egal ob deswegen, weil sie es gar nicht besser wissen, oder weil die Tütenspätzle so gut sind), solange er sie schlicht als "Kässpätzle" anbietet? Dem Gast würden sie auf keinen Fall besser schmecken, wenn er sie als Tütenkässpätzle verkaufen würde. Nur einige würden sie gar nicht erst bestellen. Das er dann lieber nichts sagt, oder drum rum redet ("Allgäuer Kässpätzle", ohne allen Allgäuern in irgendeiner Weise nahe treten zu wollen, nur so als missbrauchtes Beispiel), klar.
Dem Gourmetspätzlefreak braucht er es nicht sagen, der erkennt es schon beim Blick auf den Teller. Und wer Wert darauf legt, der kann ja vorher fragen. Unlauter wäre dann eine Lüge. Darüber hinaus dumm, denn beim Blick auf den Teller kommt es ja sowieso raus. "Handgeschabte Kässpätzle" hingegen ist ein echtes Werbeargument, mit dem sich auch ein höherer Preis erzielen lässt. (wobei mittlerweile Vorrichtungen, sogenannte Spätzlehobel auf dem Markt sind, die in der Lage sind, Fakes in ausserordentlicher Qualität herzustellen und der Hobel dabei sogar funktionell gesehen Handarbeit ohne Fremdenergiezufuhr darstellt!). Sollte man dann handgeschabt nur gelten lassen, wenn der oder die Schaber(in) festangestellt ist, nicht aber, wenn der/die Schaber/in den Gehaltscheck von einer andern Firma bekommt. Das führt doch zu weit. Ganz haarsträubend (natürlich unter der gesetzlich vorgeschrieben Kopfbedeckung) wird es , wenn der Wirt unter "Zum Hirschen OHG" agiert, die Küche als "Zum Hirschen KA OHG" , dann ist es OK, Manufaktur wird akzeptiert. Heisst jedoch die Küche "Die spEzialspäTzleschAber AG", dann sind es laut Meinung einiger sehr lauter Gastrokritiker KEINE Manufakturkässpätzle mehr. Das die spEzialspäTzleschAber zu 100 % dem Wirt gehören, genauso wie der Hirschen, wird ignoriert. Auch wenn der Wirt eigentlich nur die Abrechung für die Küche und fürs Servieren sauber auseinanderhalten will. Selbst die Belieferung des benachbarten Altenheimes mit Kässpätzle (Cholesterienarm Light) wird dann als Argument gegen den Manufakturstatus herangezogen. Spätestens dort fällt dann der Begriff "Käsespätzle-in-den-Teller-plumpsen-lasser" für den Pfleger, der das Essen ausgibt, egal mit wie viel Liebe und Sorgfalt (oder wie wenig, gibt's leider auch) er sich um die Pflegefälle kümmert.
Epilog Nun der Disclaimer: Ähnlichkeiten mit lebenden oder scheintoten Uhrenmarken, Uhrenliebhabern und Uhrenkritikern sind beabsichtigt und kein Zufall. Nur die private Meinung eines Spätzle-Liebhabers, der nicht nur die Käsevariante, sondern auch die Verbindung zum Kurzgebratenen in Zusammenhang mit einem qualitativ schmackofatzigen Sössle (sog. "schwäbischer Nassesser") sowie die pfälzer Variante "Verheierte" zu schätzen weiss. Der aber dafür Wert auf die Verwendung frischer und lokaler Ausgangsprodukte legt, näheres für Interessierte unter http://www.slowfood.de nachlesbar.
Der Manufaktur-Hickhack ist wirklich ein Spitzenreiter in Absurdität. Gerade die Uhrenindustrie ist das historische Beispiel für arbeitsteilige firmenübergreifende Fertigung. Der Versuch, dem Kunden einen Gedanken einzureden, von dem er überhaupt nichts, absolut gar nichts hat. Der Inhalt der Marketingblase ist: Ein Uhrwerk ist offiziell dann ein Manufakturkaliber, wenn die Platine innerhalb der Firmenorganisation gefertigt werden kann. Und darum dann so ein "de lana caprina rixari". Manchmal sind wir wirklich ein Haufen von absolut Bekloppten.
- Manufakturkaliber sind was besseres - Quartzuhren haben keine Seele - Plastikteile haben in Uhrwerken nichts zu suchen - Aus China kommt nur Schund - Je mehr Strahlkraft eine Marke hat, desto besser die Uhr - Nach Rolex, Patek und Lange kommt lange nichts, dann Nomos - Der Wert einer Uhr bestimmt sich allein aus dem Wiederverkaufswert - Bicolor ist out - kleine Golduhren sind out - Große Uhren sind ein Beweis von Manneskraft
Peter, soll ich die Mido wieder abgeben der letzte Punkt, entspricht der nicht einem vorherigen Punkt im Sinne einer Schnittmenge? Ich muss ja aufpassen, was ich hier schreibe.
Eine gute Zeit wünscht Euer Longus
P.S.: auch in neuer Aufmachung gilt: wer Rechtsschreibfehler findet, kann sie behalten.
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