@ Jürgen (J.F.R.) Vor längerer Zeit fand ich folgende Meldung in einer Automobil-Fachzeitschrift: Blitzfotos sind rechtswidrig ! Weil : Verfolgung und Ahndung von Rechtswidrigkeiten sind notwendig, aber eine Verfolgung setzt zwingend einen Anfangsverdacht gegen eine bestimmte Person voraus. Dieser konkrete Verdacht aber fehlt bei der allgemeinen Überwachung des Verkehrs ! Die Message stammte von einer Anwältin, die hauptsächlich mit Verkehrsrecht zu gange war. Ich habe den Fortgang der Disskussion der Anwältin mit Fachkollegen nicht verfolgt. Die Zeitschrift war mir zu teuer. Was sagt der Jurist dazu ? Was meint die Forums-Gemeinde ? cu Theo
Oh je, eine schwierige Frage, mit der ich mich so noch nicht beschäftigt habe. Ist auch nicht "mein" Gebiet.
Grundsätzlich gilt (wurde, glaube ich, so ähnlich auch vom BVerfG entschieden), dass für die Sicherung und Aufrechterhaltung der Sicherheit im Straßenverkehr andere (Grund-)Rechte (teilweise) zurückzutreten haben. Mit Blick auf die enormen Risiken des Straßenverkehrs ist dies für mich durchaus nachvollziehbar.
Die Verfolgung einer Straftat, bzw. Ordungswidrigkeit beginnt erst nach Fertigung der Lichtbilder, welche dann den Anfangsverdacht begründen (können), der dann wiederum ein Ermittlungsverfahren (§ 170 StPO) zur Folge haben kann. Ich würde daher meinen, dass für die Erstellung von solchen Lichtbildern ein Anfangsverdacht nicht vorliegen muss.
Wissenschaftlich betrachtet interessant und höchst kompliziert, meiner Meinung nach praktisch aber nicht sinnvoll anders zu handhaben.
Ich persönlich habe mit ganz anderen "Maßnahmen" des Staates ernsthafte Problem, wie etwa Bankgeheimnis, Kauf von Steuer-CD´s (in meinen Augen völlig untragbar), Vorratsdatenspeicherung usw..
Jürgen
- Ich kann auch ohne Alkohol Spaß haben. Aber meistens gehe ich auf Nummer sicher. -
Nun ja, i.d.R. sollte dort geblitzt werden, wo eine erhöhte Unfallgefahr besteht. Dabei ist von einem Anfangsverdacht gegenüber einer Person keine Rede.
Ich denke mir halt: wirste geblitzt, warste zu schnell und damit selber schuld (und ich werde leider recht häufig geblitz-dingst).
Ach, längst beglichen, an die eidgenössischen Schergen und Wegelagerer. Hab ihnen noch einen Rütlischwur mitgeschickt. Das kostet mich dann bei der nächsten Einreise wieder 20 Minuten. Die haben doch ein fröhliches Demokratieverständnis. Außerdem bin ich nicht der Fahrzeugeigner. Das kürzt es dann ab.
Das ist ein alter Hut und in der Rechtsprechung mittlerweile geklärt.
Die mittels einer Videoaufzeichnung vorgenommene Geschwindigkeitsmessung stellt eine Erhebung von Daten und damit einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Ein solcher Eingriff bedarf einer gesetzlichen Grundlage.
Das Amtsgericht Güstrow hatte in einem Urteil in einer Bußgeldsache eine Verwaltungsvorschrift als Rechtsgrundlage herangezogen. Das war rechtlich völlig abwegig, denn eine Verwaltungsvorschrift ist nunmal kein Gesetz. Dennoch hat das OLG Rostock die Rechtsbeschwerde gegen dieses Urteil verworfen. Diese Entscheidungen wurden vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben.
Mittlerweile ist in der Rechtsprechung aber geklärt, daß die einschlägigen Vorschriften der Strafprozeßordnung (StPO), auf die das Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) verweist, eine ausreichende Rechtsgrundlage für "Blitzfotos" darstellen:
§ 100h StPO (1) Auch ohne Wissen der Betroffenen dürfen außerhalb von Wohnungen 1.Bildaufnahmen hergestellt werden, 2.sonstige besondere für Observationszwecke bestimmte technische Mittel verwendet werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten auf andere Weise weniger erfolgversprechend oder erschwert wäre. Eine Maßnahme nach Satz 1 Nr. 2 ist nur zulässig, wenn Gegenstand der Untersuchung eine Straftat von erheblicher Bedeutung ist. (2) Die Maßnahmen dürfen sich nur gegen einen Beschuldigten richten. Gegen andere Personen sind 1.Maßnahmen nach Absatz 1 Nr. 1 nur zulässig, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten auf andere Weise erheblich weniger erfolgversprechend oder wesentlich erschwert wäre, 2.Maßnahmen nach Absatz 1 Nr. 2 nur zulässig, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie mit einem Beschuldigten in Verbindung stehen oder eine solche Verbindung hergestellt wird, die Maßnahme zur Erforschung des Sachverhalts oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten führen wird und dies auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. (3) Die Maßnahmen dürfen auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar mitbetroffen werden.
Der Anfangsverdacht ergibt sich aus der gemessenen Geschwindigkeitsüberschreitung, die das Foto erst auslöst.
Hier eine Pressemitteilung und die dazugehörige Entscheidung des BVerfG zu diesem Thema:
Rechtlich problematischer ist die verdachtsunabhängige Überwachung bzw. Aufzeichnung des fließenden Verkehrs z.B. mit Videoanlagen von Brücken herab.
Hier geht die Rechtsprechung aber davon aus, daß die konkrete Handhabung dergestalt funktioniert, daß die verdachtsunabhängige Aufzeichnung des fließenden Verkehrs mit einer Kamera vorgenommen wird, die so eingestellt ist, daß Kennzeichen und Fahrer nicht zu identifizieren sind; erst dann, wenn das Bedienpersonal einen Abstands- oder Geschwindigkeitsverstoß zu erkennen glaubt (=Anfangsverdacht) wird auf eine zweite Kamera umgeschaltet, die zur Fahreridentifizierung geeignet ist, so daß letztlich kein Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vorliegt, vgl. z.B. die Entscheidung des OLG Düsseldorf:
HInzu kommt, daß selbst dann, wenn ein Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vorläge, nicht zwingend von einem Beweisverwertungsverbot auszugehen ist. Denn ein Verstoß gegen ein Beweiserhebungsverbot führt nicht automatisch zu einem Beweisverwertungsverbot.
Wunderbare Beweisführung für die nachträgliche 'Seeligsprechung' , sprich Legitimierung von ursprünglich rechtlich zweifelhaften staatlichen "Maßnahmen und Praktiken". Hervorragend !
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