In der letzten Woche hat eine Freundin meiner Tochter eine Schiffsuhr der Fa. Schatz aus Triberg im Schwarzwald mit Glasenschlagwerk bei mir vorbeigebracht, mit der Bitte, mal nach dem Werk zu schauen. Die Uhr lief nicht. Schon die Bezeichnung „Glasenschlagwerk“ hat mich neugierig gemacht und zur Recherche angeregt.
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Folgendes konnte ich in Erfahrung bringen: Die Wachen auf Schiffen werden im 4-Stunden-Rythmus gewechselt. Die Zeitmessung erfolgte früher durch Nutzung von Kerzen oder Sanduhren. In den Kerzen waren am Rand in definierten Abständen Kugeln eingepreßt, mit deren Hilfe man die verstrichene Zeit abschätzen konnte. Die Kerzen wurden wegen der Brandgefahr und wegen Luftbewegungen in hohe Gläser gestellt. Brannte die Kerze nieder, fielen die Kugeln in ein Glas, es „glaste“ also. Eine Kerze brannte ca. 4 Stunden und es fielen 8 Kugeln in das Glas. Beim Fallen der ersten Kugel wurde die Schiffsglocke einmal angeschlagen, bei der zweiten zweimal, usw. Nach fallen der achten Kugel und acht Glasenschläge war die Wache beendet. Sie wurde abgelöst und die Leute der neuen Schicht zündeten eine neue Kerze an. Analog dazu wurden später auch Sanduhren benutzt. Die Schlagfolge blieb die Selbe.
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Mit zunehmender Technisierung wurden dann mechanische Schiffsuhren mit Glasenschlag eingesetzt. Es gibt sie von einigen Firmen heute noch als Neuware mit Preisen um die 1000 Euro. Billigere Ausführungen haben Quartzwerke und kosten bis ca. 400 Euro. Die auf meine Werkbank gelandete Uhr der Fa. Schatz ist in einem sehr guten Zustand. Die Fertigung der Schiffsuhren wurde 1958 aufgenommen und in der Druckschrift „100 Jahre Jahresuhren-Fabrik GmbH Aug. Schatz & Söhne“ von 1981 waren sie immer noch im Lieferprogramm. Der Ausbau des Werkes gelang ohne Probleme. Was die Revision erschwerte, war die Verwendung eines ungeeigneten Öles bei einer bestimmt lange Zeit zurückliegenden Durchsicht. Das Öl war total verhärtet (vielleicht das früher oft benutzte Knochenöl) und musste mechanisch mit einer kleinen Messingdrahtbürste entfernt werden. Die Lagerzapfen habe ich neu poliert und sämtliche Bohrungen gereinigt. Das Werk ist wartungsfreundlich, nach Abnahme der rückseitigen Platte konnte ich jede Welle einzeln bearbeiten und sie dann sofort wieder einsetzen. Das gesamte Schlagwerk ist auf der vorderseitigen Platine montiert und ich habe es nur mit Pinsel und Petroäther gereinigt und danach neu gefettet.
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Interessant ist die Lösung der Hemmung. Die gesamte Hemmung ist auf einer separaten Platte montiert und wird mit zwei Schrauben an der rückseitigen Platine befestigt (siehe Bild). Was m.E. nicht optimal gelöst ist, ist die Gangregulierung. Es ist nicht notwendig, das Werk auszubauen. Im Zifferblatt befindet sich in der „XII“ eine Bohrung für die Verstellwelle. Diese bewegt ein Zahnrad, das in ein Zahnesgment eingreift und somit den Rücker verstellt (im Foto gut zu erkennen). Leider beeinflußt schon die geringste Drehung der Welle das Gangverhalten enorm. Ich habe schon bei den kleinsten Drehungen Abweichungen von 120-180 s/d gemessen. Einen geeigneten Wert für eine geringe Gangabweichung zu finden, ist Glücksache.
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Nachdem ich das Werk wieder zum Laufen gebracht habe, zudem auch noch einen guten Gang eingestellt hatte, habe ich das Werk wieder eingebaut. Das Setzen der Zeiger ist relativ einfach. Schlägt die Uhr vier Doppelschläge (was 8 Glasen bedeutet) so ist der Stundenzeiger bei der 4, der 8 oder der 12 zu setzen. Der Minutenzeiger wird bei der 12 aufgesetzt. Nun noch einmal alles überprüfen. Jede halbe Stunde schlägt die Uhr einen Schlag mehr. Hat bestens geklappt. Ich betrachte die Uhr als fertig, die Besitzerin wird sich freuen. Noch ein kurzer Nachtrag: Mechanische Glasenuhren schlagen nur in hängender Lage. Der Grund dafür ist, dass die Auslöse- und Übertragungshebel ohne Rückholfedern ausgestattet sind, also muss die Schwerkraft genutzt werden. Viele Grüße Karsten
Auch für Uhrenbastler gilt: Erfahrung ist die Summe der Misserfolge
Sowas hab ich übrigens auch hängen. Allerdings leider nicht mechanisch. Trotzdem wunderbar zu hören...
Mimifreund
hat folgende Bilder an diesen Beitrag angehängt
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Manchmal steh ich auf, mitten in der Nacht, und halt die Uhren alle, alle an. (Die Marschallin im "Rosenkavalier")
Danke Karsten ! Sehr schöne Demo Der Hebel neben der III läßt wohl das Schlagwerk außer Betrieb setzen ? Als sog. Glasenuhr mußte sie vielleicht nicht auf die Sekunde genau sein, aber trotzdem mußte es doch der Fa. Schatz dran gelegen sein, eine Genauigkeit von +/- 15 sec zu erreichen. Die Lösung mit der separaten Platine für die Hemmung ist ne feine Sache - zumal es ja an Platz nicht wirklich mangelt. Aber wenn ich die Verzahnung sehe, glaube ich dir gern, daß die Einstellerei ein Glücksspiel ist. Weißt du evtl., welche Lösung dort andere -noch produzierende - Firmen haben ? (nicht Mühle )
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