Bei mir ist wohl auch die Oma aus Thüringen schuld. Habe zum 10. Geburtstag eine Ruhla mit grünem Zifferblatt bekommen. Eine wundervolle Uhr - vergoldetes Gehäuse. Und das Zifferblatt so giftig grün - herrlich. Obwohl sie für mein Handgelenk eigentlich viel zu groß war, habe ich sie jahrelang getragen. Irgendwann ging sie nicht mehr, da habe ich sie selbst auseinandergenommen - das war ihr Ende. Vermutlich ist sie irgendwo im Müll gelandet. Schade. Als die Großeltern nicht mehr lebten, habe ich als einzige in der Familie Interesse an den alten Uhren gehabt - ein Wecker aus Amerika, den Opa während der Zeit seiner Internierung im ersten WK dort erworben hatte, eine Büffetuhr und diverse Armbanduhren von Oma (nichts wertvolles - überwiegend Ruhla). Durch Zufall (Schicksal) bin ich vor 20 Jahren einem Herrn begegnet, der in der Lage war, diese Uhren alle zu reparieren. Als die alten Schätzchen wieder tickelten sprang der Funke über (eigentlich waren es zwei Funken - einmal die Liebe zu den hölzernen und blechernen Dingern, die auf einmal lebten - und dann war da noch der nette Herr ....)
Phase 1: Kinder- und Jugendzeit. Uhren braucht man, um zu wissen, wann der Bus fährt, die Schulstunde endlich fertig ist, etc. Nein, Handys gab's damals noch nicht. Ich erinnere mich an Timex, Casio.
Phase 2: Spätere Jugend- und Studentenzeit. Uhren sind etwas, mit dem man Individualität ausdrücken kann. Handys gibt's zwar auch schon, aber Uhren sind bunt und schön. Z.B. Swatch. Sie gehen öfter mal kaputt, dann muß man eben eine neue kaufen.
Phase 3: Das Arbeitsleben hat die ersten Euros abgeworfen. Ich beginne, mich dem ganzen elektronischen Kram zu verweigern. Die Welt dreht sich viel zu schnell. Ich stelle fest, das es heutzutage noch mechanische Uhren gibt. Die sind zwar sauteuer (200 DM oder sogar noch mehr), aber das ist es mir wert. Weil ich den ganzen Tag mit Elektronik arbeiten muß, brauche ich einen mechanischen Gegenpol. Z.B. eine Lacques Lemans, mit Eta2892.
Phase 4: Seit Mitte 30. Eine mechanische Uhr, das ist ein Faszinosum. Ein Tag hat 86400 Sekunden, und es ist möglich, eine kleine, transportable Maschine zu bauen, die rein mechanisch funktioniert, und die dennoch nur wenige Sekunden am Tag falsch geht. So ein kleines Ding kann aber noch mehr - die Krönung für mich persönlich ist immernoch der Ewige Kalender, ein Satz Zahnräder, der über Schaltjahre hinaus die verschiedenen Monatslängen richtig anzeigt. Je mehr man sich mit den technischen Details beschäftigt, desto mehr stellt man fest, was alles möglich ist. Und auf welche aberwitzigen Ideen manche Firmen kommen, um die Genauigkeit der Uhr noch zu steigern. Mittlerweile ist es aber nicht mehr nur die Technik, die begeistert. Eine Uhr ist auch ein Schmuckstück. Je mehr man sich mit den Details der Gestaltung beschäftigt, desto mehr Unterschiede fallen einem auf. Manchmal muß ich ein Zifferblatt sehr lange betrachten, um herauszufinden, warum es mir nicht gefällt. Und der Grund kann dann einfach sein, daß ein Index zu breit ist, oder daß das Datum an der falschen Stelle sitzt. Auch das finde ich faszinierend, daß ein winziges optisches Detail eine ganze Uhr "zerstören" kann. Die verschiedenen Verzierungen eines Werkes erkenne ich inzwischen als bemerkenswerte handwerkliche Fertigkeit an, hier mischt sich also die Technikfaszination (klein und akkurat) mit dem Intersse an künstlerischer Gestaltung, dem Respekt vor der Handarbeit eines echten Könners (da denke ich jetzt z.B. and handgravierte Unruhkloben und von Hand anglierte Werksteile).
Der Gedanke, sich mit der Uhr ein Stück Individualität an den Arm zu schnallen, ist nicht weniger geworden. Im Gegenteil, heute suche ich mir die Uhr morgens nach Tageslaune aus. Es gibt Tage, da kann ich keine Nomos tragen, und an anderen Tagen muß es unbedingt die Orion sein, da geht nix anderes. Die Uhr am Arm drückt irgendwie auch meine Laune aus.
Ganz wichtig ist mir aber, daß es eine mechanische Uhr ist. Zweifellos gibt es tolle Quartzuhren, und die Spring Drive-Modelle mit ihrer Elektromagnetischen Hemmung finde ich auch faszinierend. Für mich muß es aber rein mechanisch sein. Bei all der Elektronik um uns herum brauche ich ein Stück archaische Mechanik an meinem Arm. Wenn mir mal wieder alles zuviel wird und sich die Welt unter mir wegzudrehen droht, schaue ich der Unruh beim Arbeiten zu, und betrachte, wie der Sekundenzeiger über das Zifferblatt ruckelt. Dann ist alles wieder im Lot.
Oder kurz gesagt: was mich an (mechanischen) Uhren fasziniert, das ist die Technik, die Handwerkskunst, und die ungeheure Individualität, die durch das Design winzigster Details auf einem sehr beschränkten Raum entsteht. Und ihre manchmal meditative Wirkung.
Alex
PS. Phase 5: Ich finde die Exit-Watch. Der Drang, die Uhr nach Tageslaune auszusuchen, hört auf, ich habe für mich die perfekte Uhr gefunden. Sie erfüllt alle beschriebenen Kriterien, jeden Tag. Ob sie existiert, weiß ich noch nicht.
@Sabine, deshalb haben wir bestimmt auch diesen "Gen-Defekt", und mögen Striezel (Stollen) so gerne . . . Aber ich werde dieses Thema nicht wiederbeleben.
@Alex, eine "endgültige" Uhr scheint nicht zu existieren. Immer besteht ein Merkmal welches nicht ganz optimal ist, I M M E R ! Selbst wenn man einen sehr guten Kompromiss gefunden hat, ändern sich Wissen und Geschmack mit den Jahren. Wahrscheinlich bleibt auch hier "der Weg das Ziel". Aber Du hast ja noch einen tollen "Schallplattenspieler" und bestimmt etwas mit Röhre zur Ablenkung.
@Gandalf, Andreas bist Du der mit mindestens vier Subwoofern? Hast' ein nettes Thema gefunden . . .
Gruss Ralf
Gruss Ralf Freude ist eine unbezahlbare Rendite . . .
PS. Phase 5: Ich finde die Exit-Watch. Der Drang, die Uhr nach Tageslaune auszusuchen, hört auf, ich habe für mich die perfekte Uhr gefunden. Sie erfüllt alle beschriebenen Kriterien, jeden Tag. Ob sie existiert, weiß ich noch nicht.
Hallo,
das habe ich vor dem Kauf meiner Explorer II auch gehofft! Das war für mich "die Uhr"! Heute habe ich das Teil nicht mehr so oft am Arm, da ich an schlichten 3 Zeiger Uhren, wie z.B. Tango; Orion etc. viel mehr Freude habe und die Rolex mir irgendwie zu viel "bling bling" ist!
Ich fürchte die Exit Watch gibt es tatsächlich nicht!
D.H. wir werden niemals zum Ziel kommen und müssen bis in alle Ewigkeit neue Uhrenboxen mit kleinen tickenden Maschinen füllen!!
@ Allerdings
@Gandalf, Andreas bist Du der mit mindestens vier Subwoofern? Hast' ein nettes Thema gefunden . . .
Gruss Ralf
Nein, ich besitze keinen Subwoofer!
Die Frage des Themas ist mir irgendie wichtig!! Ich kann durch Euere Bestätigung, das Ihr genau so, oder zumindest ähnlich "tickt" wie ich, wieder ruhiger schlafen!
Habe schon langsam an mir gezweifelt, da meine komplette Umwelt mich für "verrückt" eklärt wenn sie erfahren wie viele Uhren ich besitze und wie viel Zeit ich mich mit diesen beschäftige!!
Zitat von GandalfD.H. wir werden niemals zum Ziel kommen und müssen bis in alle Ewigkeit neue Uhrenboxen mit kleinen tickenden Maschinen füllen!!
Klingt gut!
Zitat von GandalfHabe schon langsam an mir gezweifelt, da meine komplette Umwelt mich für "verrückt" eklärt wenn sie erfahren wie viele Uhren ich besitze und wie viel Zeit ich mich mit diesen beschäftige!!
Das ist wohl normal - ich fürchte, da müssen wir alle durch...
Vieles was mich zu den mechanischen Uhren trieb wurde hier bereits erwähnt.
Martin hat es aus meiner Sicht am treffendsten bzw. kurz und bündig in Worte gefaßt:
Zitat von bratscheIch bin fasziniert und begeistert davon, dass das Ineinandergreifen von so vielen Einzelteilen die Zeit in solch präziser Form darstellen kann. Und das schon seit hunderten von Jahren. Wow! Und ich habe größte Hochachtung vor all jenen, die da durchsteigen und diesen Mikrokosmos verstehen!
Den Anstoß gab - man mag es kaum glauben - meine Frau! Ich kann also gar nichts für diese Vorliebe
Thomas
Die Basis einer gesunden Ordnung ist ein großer Papierkorb Kurt Tucholsky
Zitat von hanickDen Anstoß gab - man mag es kaum glauben - meine Frau! Ich kann also gar nichts für diese Vorliebe
So eine schöne Begründung suche ich noch. Meine Frau ist die Erste, die mich nicht versteht und mit dem Kopf schüttelt. Aber wer weiß, was nicht ist kann ja noch werden. An Weihnachten starte ich einen neuen Versuch.
Und zum Glück gibt es ja dieses Forum. Das zeigt, das wir nicht alleine sind. Außerdem habe ich mir schon viele Anregungen geholt und unheimlich viel über Uhren gelernt. Dafür hier mal Danke an alle, die ihre Bilder hier einstellen und mein Wissen erweitern.
Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0. Und das nennen sie ihren Standpunkt. Albert Einstein
Zitat von jo203 Und zum Glück gibt es ja dieses Forum. Das zeigt, das wir nicht alleine sind. Außerdem habe ich mir schon viele Anregungen geholt und unheimlich viel über Uhren gelernt. Dafür hier mal Danke an alle, die ihre Bilder hier einstellen und mein Wissen erweitern.
Dem kann ich mich nur anschließen!
Ohne diese Forum hätte ich nie von der Existenz z.B. eines OE Tangos oder einers DIS Tangos erfahren! Inzwischen haben wir (mein Vater und ich) über dieses Forum die Möglichkeit bekommen, 3 Nomos Uhren zu ergattern. Und: das Fachwissen, was hier durch die Mitglieder vermittelt wird!!
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