Ein Bekannter überraschte mich plötzlich mit seinem Interesse an einer bezahlbaren, mechanischen Uhr. Da erinnerte ich mich an einen Beitrag v. @Theo, in dem er die Marke Stowa als Alternative zu teuren Uhren v. z.B. Dornblüth in die Diskussion warf. Folglich beschäftigte ich mich mit Stowa. Kurzer Rede langer Sinn: Wirklich Negatives war nicht erkennbar. Sie kaufen die Komponenten zusammen und bauen daraus ihre Uhren. Gelegentlich verfeinern sie noch das eine oder andere Zuliefererprodukt. Auch regulieren sie die Werke (aktuell ETA) selbst ein. Also was solls, wir fuhren zu Stowa nach Engelsbrand im Nordschwarzwald.
Dort wurden wir sehr freundlich und geduldig(!) beraten. Auch ließ ich mir eine "Fliegeruhr" zeigen. Angelegt sah sie zu meiner Überraschung sogar gut aus. Eine klare, doch interessante Alternative zu dem, was ich sonst so an Uhren trage. Aber gut, wir verabschiedeten uns wieder und fuhren zurück.
Irgendwie ging mir die Uhr doch nicht aus dem Kopf. Auch die starke Leuchtkraft bei Nacht wäre für mich eine Bereicherung, denn die allermeisten meiner Uhren leuchten nachts nicht oder nicht stark genug, um die Zeit ablesen zu können, wenn ich zwischendurch wach werde. In einem schwachen Moment der folgenden Tage bestellte ich die Uhr. Wenige Tage später kam sie an. Und ich kann sagen: Den Kauf bereue ich nicht.
Die Uhr ist einwandfrei verarbeitet, geht bei durchgehendem Tragen nur 4 sec/d vor, lässt sich geschmeidig aufziehen und das ETA 2804 Uhrwerkchen sieht zumindest hübsch aus.
Das Werk gilt als zuverlässig und robust, obwohl es ja wirklich sehr zart aussieht. Überraschend das Armband. Niemals hätte ich mir per se ein solches Armband ausgesucht, aber zu dieser Uhr passt es und bleibt dran.
Wenn ich sehe, wie bei allen meinen drei vorherigen, erheblich höherpreisigen Uhrenkäufen schwerwiegende Reklamationsgründe vorhanden waren und zum Teil auch noch sind, ist die Stowa Uhr in ihrer Perfektion geradezu ein Lichtblick. Das sei hier mal deutlich gesagt.
Noch ein paar Bemerkungen zur "Fliegeruhr". Man muss wissen, dass diese Uhr das Design v. im zweiten Weltkrieg üblichen B-Uhren, Baumuster A, zwar aufgreift, aber im Durchmesser davon erheblich abweicht. (40 mm statt 55 mm). B-Uhr steht für Beobachtungsuhr. Eine Beobachtungsuhr dient der astronomischen Navigation, z.B. der Standortbestimmung eines Flugzeugs anhand v. Sternbeobachtung. Eine Beobachtungsuhr wird stets vor Start des Fliegers mit einem am Abflugplatz befindlichen Chronometer abgeglichen. Die B-Uhr dient der vorübergehenden Zeitbewahrung der Chronometerzeitanzeige des Bodenchronometers, sie selbst ist kein Chronometer. Die B-Uhr ist keine Pilotenuhr! Letztere hat andere Aufgaben zu erfüllen. Insofern ist der Begriff 'Fliegeruhr' unscharf! Die Uhr ohne Logo war vorgeschrieben v. Reichsluftfahrtsministerium, weil das Logo v. der Ablesbarkeit hätte ablenken können. Eine Datumsanzeige war nicht vorgesehen, jedoch die Zentralsekunde mit Sekundenstopp wg. des sekundengenauen Abgleichs mit dem Bodenchronometer. B-Uhren waren Handaufzugsuhren. Automatikuhren wären lebensgefährlich, weil man nie Klarheit über den Stand des Aufzugs hätte. Eine Gangreserveanzeige würde die Ablesbarkeit verwirrend beeinträchtigen und entspräche auch nicht dem Postulat der einfachen präzisen und robusten Uhr, die auch noch in Mengen bezahlbar sein sollte.
Die Stowa-Fliegeruhr Klassik 40 entspricht äußerlich sehr genau einer verkleinerten Variante einer B-Uhr, Baumuster A. Stowa war in späteren Kriegsjahren auch Lieferant für B-Uhren. Funktional entspricht die Uhr den Vorgaben (Sekundenstopp u. Zentralsekunde). Ein Magnetfeldschutz und Sicherheit gegen plötzliche Luftdruckabfälle (Uhrglas fliegt weg) sind eher nicht gegeben. Das Modell Stowa Flieger Klassik 6498 mit kleiner Sekunde hingegen liegt daneben, denn eine kleine Sekunde war bei B-Uhren in der Luftfahrt nicht üblich. Die Stowa Flieger Klassik 40 entspricht mit dem Handaufzugswerk eher ihrem Vorbild als die Automatikvariante. Siehe oben. Somit sind auch die Fliegeruhren der Mitanbieter (IWC, Sinn u.a.) kritisch zu hinterfragen. Übrigens beide verwenden auch ein ETA-Werk. So gesehen ist sogar die Stowa das preislich interessanteste Angebot.
Vielen Dank, Ewald, für die interessante und schön bebilderte Vorstellung.
Auch die allgemeinen Ausführungen zur Beobachtungsuhr - für die meisten Uhrenfreunde zwar Teil ihres Allgemeinwissens, aber eben nicht von allen, und auch das Bekannte sollte immer wieder aufgefrischt werden - sind sehr hilfreich.
Viel Freude an dem schönen Stück wünsche ich dir!
Viele Grüße Martin
Die Zeit, die du für deine Rose verloren hast, sie macht deine Rose so wichtig (Antoine de Saint Exupéry: "Der kleine Prinz")
auch von mir vielen Dank für die interessante Vorstellung mit zahlreichen Hintergrundinformationen. Und wie das Leben so spielt, es sind nicht immer die hochpreisigen Produkte, die einen unkompliziert durch den Alltag begleiten können.
Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0. Und das nennen sie ihren Standpunkt. Albert Einstein
Hallo Ewald, vielen Dank für deine sehr nette und kurzweilige Vorstellung deine Stowa, mich begeistern immer wieder diese schön schlichten und aufgeräumten Zifferblätter, viel Spaß in Zukunft damit.
Freu dich auf jeden neuen Tag. Auch wenn die Chance besteht, dass es ein beschissener Tag wird, oder ein sehr schöner, oder ein ganz normaler. Mit wechselnder Bewölkung und 30 Prozent Regenwahrscheinlichkeit.
@roter.papagei - Hallo Peter, ist eigentlich wahr: Eine Fliegeruhr gehört dazu, zumal sie auch im Alltag eines Bodenmenschens ihre eindeutigen Vorteile hat. Besitzer von Taucheruhren kommen ja oft auch nicht über ihre Badewanne hinaus. :)
@susan - Hallo Susan, die Uhr gäbe es auch für eine weibliche Uhrensammlung in 36 mm. Sogar mit dem selben Handaufzugswerk, das dem Nomos Alpha sicher nicht nachsteht. Und nachts leuchtet die Uhr richtig schön!
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