Zitat von mechfreak...gestern habe ich im TV gesehen wo diese Oberfläche herkommt. Die Spirit of St. Louis von Charles Lindbergh hatte diese Oberfläche im Bereich der Nase! Und nur von da kann sie auf die Platinen, Brücken der Uhren kommen! Woher denn sonst
Mannmannman, Du machst es einem nicht leicht. In gewisser Weise hast Du recht... Aber man darf dem Fernsehen nicht alles glauben. Lindbergh landete 1927 mit seiner Spirit of St. Louis in Paris. Meine Geschichte beginnt erst 1929. Insofern könnte man tatsächlich vermuten, daß meine Geschichte nur klug ausgedacht wäre und sich die Verzierungen direkt auf Lindbergh zurückführen ließen... Aaaaber, dem ist keineswegs so! Genaugenommen war das so (ich muß etwas weiter ausholen):
In F. an der M. lässt sich das Muster ja wie beschrieben zurückführen auf Alphons P.s Nichte Marianne, damals (1929) 6 Jahre alt. Sie war ein aufgewecktes Kind und verarbeitete ihre Eindrücke der Welt auch in späteren Jahren gerne in Kunstwerken. Aber das ist eine andere Geschichte. Mit 6 Jahren war sie in der unglücklichen Situation, daß sie zur Schule gehen mußte. Bekanntlich war die Schule in diesen Jahren noch sehr autoritär, was Marianne gar nicht mochte. Besonders Gemeindelehrer Adalbert Z. in der Volksschule von F. an der M. war ein harter Brocken, der war gefürchtet, keineswegs beliebt. Er war 1868 geboren (stand also kurz vor der Pensonierung) und hatte ein frühkindliches Trauma aus dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 abbekommen, weil sein Vater und seine beiden Onkel - nein, das führt jetzt zu weit. Also, Vater Z. führte in der Familie bedingt durch seine Kriegserlebnisse ein strenges Regime, was auf den späteren Lehrer Adalbert (jüngstes von fünf Kindern) einen bleibenden Eindruck machte. Generationen von Schülern litten dann unter ihm, so auch Marianne.
Unsere Marianne hatte große Angst vor dem Lehrer, besonders vor seinen unkontrollierten Wutausbrüchen, und flüchtete sich in der ersten Klasse manchmal in die Traumwelt ihrer schönen Erinnerungen. Ab Mitte der zweiten Klasse wurde das besser, denn Adalbert Z. hatte einen nie aufgeklärten Unfall, der ihn kurz vor der Rente aus diesem Leben riß. Interessanterweise kamen nicht mal seine Geschwister zu seiner Beerdigung, obwohl seine Schwester Agnes jahrelang zumindest versucht hatte,... Aber ich schweife schon wieder ab. Zu Mariannes schönen Erinnerungen gehörte neben der Geburtstagsfeier ihrer besten Freundin Annemarie, bei der alle Kinder hemmungslos die Leckereien aus Oma Irmis Backstube schlemmen durften, auch die Landung von Charles Lindbergh am 21. Mai 1927 in Paris. Obwohl sie daran keine konkrete Erinnerung hatte (dazu war sie 1927 noch zu jung), so war doch das Gefühl geblieben, daß sie bei diesem Ausflug mit Onkel Alphons und Tante Barbara etwas Bedeutendes erlebt hatte. Als Vierzährige hatte sie keine Ahnung, wozu ein Flugzeug gut war, aber das Muster an der Flugzeugnase, das fand sie faszinierend, das schimmerte und glitzerte so schön. Entsprechend setzte sich dieser optische Eindruck in ihrem Unbewußten fest, zusammen mit dem Gefühl der Geborgenheit bei Onkel und Tante und dem wunderbaren Erlebnis einer weiten, weiten Reise.
Durch die seelische Peinigung durch Lehrer Adalbert Z. kamen diese schönen Erinnerungen als Selbstschutz zwei Jahre später wieder hoch. Als sehr introvertiertes Kind verarbeitete Marianne ihre Probleme mit Lehrer Z. dann auf die beschriebene Art und Weise, nämlich indem sie die Weintanks von Onkel Alphons verzierte.
Ah, ich höre schon die Zweifler: wieso sollte jemand aus F. an der M. zur Lindbergh-Landung nach Paris fahren? Das war doch damals eine halbe Weltreise! Alex schwafelt sich hier was zurecht! Pah, weit gefehlt!
Die halbe Weltreise, die hat Lindbergh mit seiner Atlantiküberquerung gemacht. Für unsere Freunde aus der "Vereinigung der Freunde der Zeitmessung von 1878 e.V“ in F. an der M. war es aber auch eine weite Reise, zweifellos. Aber warum waren sie dort? Das kam daher, daß der Ortsuhrmacher Fürchtegott L. (ein bemerkenswerter Mann, Ihr erinnert Euch?) während seiner Lehrzeit auch in Paris gewesen war. Dort hatte er mehrere Jahre bei Jean-François M. de la P., der eine gutgehende Werkstatt für Feinmechanik, Uhren und optische Präzisionsinstrumente im 1. Arrondissement hatte, gelernt. Nach dieser Lehrzeit brach der Kontakt nicht ab, und es entwickelte sich eine enge Freundschaft, die wegen der Entfernung natürlich fast ausschließlich durch Briefe am Leben gehalten werden konnte. Aber das tut einer echten Freundschaft keinen Abbruch. Als dann im Jahre 1927 die Lindbergh‘sche Atlantiküberquerung publik wurde, fasste Maitre J-F. M de la P. den Entschluß, seinen Freund samt Frau einzuladen. Man wollte dieses Ereignis nutzen, sowohl die neuesten Präzisionsfernrohre zu testen, als auch in einen anregenden persönlichen Diskurs zu den Themen Zeitzonen und Ganggenauigkeit bewegter Uhren in sich schnell bewegenden Luftfahrzeugen zu treten. Unter besonderer Berücksichtigung von Luftdruck-, Temperatur und Feuchteschwankungen. Das hatte Fürchtegott dann ganz stolz in einer Vereinssitzung erzählt, und daraufhin bildete sich eine Gruppe von mehreren Leuten, die Feuer und Flamme für diese Themen waren und unbedingt alle mit nach Paris wollten. Man organisierte Unterkünfte und einen ausreichend großen "Tagungsraum". Nach Jahre später schwärmten J-F. M de la P. und Fürchtegott in ihren Briefen von diesem Ereignis. Es wurde sogar eine Wiederholung ins Auge gefasst, die dann aber leider nicht stattfinden konnte, weil Jean-François... nein, das führt jetzt wirklich zu weit. Unsere Reisenden fuhren also mit der Eisenbahn, dritter Klasse, aber man war ja eine lustige und gleichzeitig gebildet-interessierte Gruppe, bei soviel geistiger Anregung war körperlicher Komfort nicht so wichtig. Die meisten der Herren nahmen ihre Frauen mit (bis auf Friedberg T., der wollte seine "Bekannte" Elvira mitbringen, das ist aber am Veto der Ehefrauen gescheitert), und Alphons und Barbara nahmen auch ihre Nichte mit. So kam also unsere kleine Marianne nach Paris, wo sie das Muster sah, das sie später auf einen Weintank übertrug, von wo aus es einen Siegeszug über Uhrenplatinen und Milchlaster antreten sollte.
So gesehen, ja, das Muster stammt original aus Amerika, damals noch das echte Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Die ,Spirit of St. Louis‘ wurde in San Diego von Ryan Aeronautics gebaut. San Diego war damals ein rauhes Pflaster, und die Flugzeugbauer bei Ryan echte Kerle. In diesem Umfeld hatte James E. wenige Monate zuvor ein unschönes Erlebnis, als er in der Mittagspause, wie immer grundlos mißgelaunt, in ungünstiger Weise auf den körperlich deutlich überlegenen Carl „Big Daddy“ F. traf. Um was es in dem Streit genau ging, ist nicht überliefert. Manche reden von einer unrechtmäßig angebissenen Wurstsemmel, andere wollen von einer Affäre von Carls Cousine Debby mit dem Zwillingsbruder von James gehört haben. Wie dem auch sei, „Big Daddy“ hat James derart eine reingesemmelt, daß er nicht nur zwei Schneidezähne, sondern kurzfristig auch das Bewußtsein verlor. Das Erlebnis war so heftig, daß James sich danach noch sehr gut an die Kreise erinnerte, die vor seinen Augen wirbelten, nachdem Carls Faust ihr Ziel in James' Gesicht gefunden hatte. Carl war der verantwortliche Monteur für die Flugzeugnase, für die James die Metallbearbeitung durchzuführen hatte. Als instinktive egotherapeutische Maßnahme, um über die erlittene Schmach wegzukommen, verzierte James die Flugzeugnase mit dem Kreismuster, das er immer sah, wenn er Carl begegnete. Carl wußte davon nichts, mußte es aber montieren. Ich weiß nicht, ob das funktioniert hat; über James E. ist nichts weiter überliefert. Viel wichtiger ist doch aber, daß dieses Muster, aus roher körperlicher Gewalt entstanden, dazu führte, daß unsere kleine Marianne in Paris ein so tolles Erlebnis hatte, daß sie es zwei Jahre später nutzen konnte, um ihre schulische Pein zu lindern. Solange, bis Adalbert Z. besagten Unfall hatte. Das wäre auch mal noch eine interessante Geschichte, das mit dem "Unfall". Aber das gehört nicht hierher.
Ich hoffe, die Herkunft des Musters ist damit zur Zufriedenheit geklärt.
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