Ich und die Reverso... Das ist eigentlich eine sehr, sehr lange Geschichte, denn schon immer habe ich auf diese Ikone des Uhrdesigns geschielt, könnte mir aber eigentlich nicht vorstellen, jemals eine Reverso zu besitzen. Denn wenn man sich mit der Reihe beschäftigt, hat man auch die Qual der Wahl. Es gibt die verschiedensten Größen, Komplikationen wie zweites Zifferblatt, Kalender, Mondphase, sogar Chronographenfunktion wurde schon in das Gehäuse gepresst. Edelstahl, Weißgoldene und Rotgold - die Reverso kann unter 5000€ kosten, wenn man möchte, kann man aber auch einige Tausender mehr investieren.

So habe ich schon vor zwei oder drei Jahren alle verfügbaren Größen anprobiert. Eine sehr lange Zeit hatte ich den Traum von einer Duoface, also einer Reverso mit zwei Zifferblättern und zwei Zeitzonen. Wenn man das Gehäuse schon umdrehen kann, dann sollte sich auf der Rückseite auch schon etwas befinden, oder nicht? Und zwei Uhren für den Preis von einer, das klingt doch verlockend. Dabei hatte ich vor allem die kleinere Duoface favorisiert, von der ich kein eigenes Bild habe, aber mit etwas Recherche findet ihr sie bestimmt. Die Vorderseite ist im klassischen Reversodesign mit kleiner runder Sekunde und die Rückseite ist anthrazitfarben und hat eine 24-stündige Night-and-Day-Anzeige der zweiten Zeitzone. Es kam immer etwas anderes, nomosartiges dazwischen. Außerdem war ich mir nie sicher, wie gut sich so eine eckige Uhr, besonders wenn der Minutenzeiger über der Minuterie liegt, wie dies allgemein bei den meisten Reversos und im Besonderen beim dunklen Zifferblatt der kleineren Duoface der Fall ist, ablesen lässt. Zwischenzeitlich war dann der Favorit die größere Duoface-Variante:



Hier gefällt die Zifferblattgestaltung schon besser... Die ist es dann aber auch nicht geworden.

Alle (oder zumindest viele) von euch werden die 85-jährige Geschichte der Reverso kennen, die als Sportuhr entwickelt wurde. Das Zifferblatt konnte beim Polospiel umgedreht werden, damit das Glas vor Stößen und Brüchen geschützt war. Mit den heutigen Gläsern ist dies natürlich nicht mehr nötig und schon lange gilt die Reverso nicht mehr als die Sportuhr, als die sie einst designt worden war, sondern als die Dresswatch schlechthin.

Also, ich habe es in den vergangenen drei Jahren geschafft, diese Uhr immer wieder nicht zu kaufen, insgeheim aber von einer Reverso zu träumen. Die Ausreden, die ich gefunden habe, waren folgende: viel zu teuer für das, was es ist, nämlich eine Uhr; für eine Reverso bekommst du drei oder vier Nomos-Uhren... oder einen Gebrauchtwagen und zwar nicht den schlechtesten usw. Ich hatte das Projekt Reverso also eher als ins Reich der Phantasie gehörend abgehakt. Falls ich im Lotto gewinnen sollte, dann könnte ich es mir ja noch einmal überlegen.

Dann ist letztes Jahr im Herbst etwas passiert, womit niemand gerechnet hat. Ein recht guter Freund und der Chorleiter des Kirchenchores, in dem ich singe, ist einen Tag nach der Aufführung der h-Moll Messe von J.S. Bach beim Einsteigen in einen Zug aus heiterem Himmel an einem Herzinfarkt gestorben. Er war noch keine 50 Jahre alt, hat ein Leben für zwei geführt (ein Lebemann), war ein grandioser Musiker und der österreichische Spezialist für Michael Haydn, der "kleine" Bruder des berühmten Haydns, welcher in St. Peter in Salzburg als Stiftsdirigent tätig war, wie auch mein Freund, der sein Nachfolger gewesen ist.

Hatten wir am Sonntag noch zusammen musiziert, war am Mittwoch, dem Tag unserer regulären Probe schon eine Trauerfeier auf der Empore der Stiftskirche. Dona nobis pacem war also das letzte Stück, das mein Freund dirigiert hat. Das ist fast schon ein tröstender Gedanke, wie auch die Tatsache, dass die Messe (nicht gerade leicht zu singende Literatur) insgesamt für alle Beteiligten ein Erlebnis war.

Und was hat das mit der Reverso zu tun? Im Januar habe ich erfahren, dass mein Freund auch mir etwas hinterlassen hat. Es ist jetzt keine Summe gewesen, mit der man sich eine JLC finanzieren kann, aber doch so viel, dass ich ins Grübeln kam, wofür ich es verwenden sollte. Und ich glaube, dass ich genau die richtige Investion gefunden habe, die mich für immer an meinen guten Freund erinnern wird: die JLC Tribute, die auch A. gefallen hätte (er wusste um meinen Uhrentick, war zwar in dieser Hinsicht vollkommen immun, hatte aber die ein oder andere Antiquität oder Barockstatue, welche durchaus von gutem Geschmack zeugte). Es wurde also die schlichteste aller schlichten Modelle, die Tribute to 1931 mit ganz einfachem schwarzen Zifferblatt ohne kleine Sekunde und auch auf der Rückseite ist (noch) nur blankes Metall zu sehen. Ich denke nämlich darüber nach, eine ganze Pause in h-Moll gravieren zu lassen. Noch nicht einmal das Firmenlogo prangt stolz auf dem Zifferblatt. Und doch: es hätte keine andere werden können.

Geholt habe ich die Uhr am Samstag (der Anruf, dass das kürzere Band angekommen und montiert ist, kam am Morgen; das Geld hatte ich am Mittwoch erhalten; bezahlt war schon alles, bis auf die zu erwartende Summe) und zwar in einer Probenpause unseres Chores. Vier Dirigenten haben an diesem Tag vordirigiert und es sieht so aus, als hätten wir einen neuen Stiftskapellmeister gefunden.



Und nach diesem allzu Persönlichen (ich hoffe ihr seid nicht gelangweilt) jetzt zur Uhr. Sie ist wirklich Ultra Thin im wahrsten Sinne des Wortes und passt wunderbar an mein Handgelenk. Dank des integrierten Bandes sitzt sie wie angegossen an meinem Handgelenk, fast schon wie ein geschmiedetes Armband. Ich mag besonders dieses zeitlos schlichte Design, bei dem auf alles, was von der Zeit ablenken könnte, verzichtet wurde. Hier gibt es nur die Stunde und die Minute, mehr nicht. Für mich ist es einfach die quintessentielle Reverso ohne Schnickschnack wie Guilloche-Zifferblatt etc. Vielleicht kommt eine Duoface ja später?

Ich denke auch, dass es die einzige Uhr in meiner Sammlung ist, die mit zwei Worten auf dem Zifferblatt auskommt: "Reverso" und "Swiss". Und auch wenn sie so dünn ist, wirkt sie doch gleichzeitig so solide und massiv. Das einzige, was mir Sorgen bereitet, ist das hochglanzpolierte Gehäuse, das bestimmt Kratzer bekommt, wenn man auch nur ein kleines bisschen schärfer hinschaut. Und dennoch habe ich nicht vor, die Uhr zu schonen und nur alle Jubeljahre und zu besonderen Anlässen anzuziehen. Jeder Kratzer wird die Uhr zu meiner machen und das Vintage-Zifferblatt sollte ja auch irgendwann einmal zum Gehäuse passen. Ihr seht, dass ich mich mental schon einmal darauf vorbereite. Ich glaube, die ersten kleinen Kratzer sind schon drin. Egal!!! Auch die stehen ihr gut, denn schließlich ist es ja kein Museumsstück.

Bei Gelegenheit gibt es hier natürlich noch mehr Bilder der schönen!

Danke fürs Lesen!

Vielen Dank für diese so schöne Vorstellung einer herrlichen Uhr!

Tja, was soll man zu einer solchen Geschichte noch sagen?

Mit dem Kauf dieser JLC, die du schon lange auf deiner Wunschliste stehen hast, hast du dir mit Sicherheit auch eine bleibende Erinnerung an deinen verstorbenen Freund und Musikkollegen geschaffen.

Ich bin mir sicher, dass du sie in Ehren halten wirst und wünsche dir - trotz des traurigen Hintgergrundes - viel Freude mit deiner Wunschuhr.

Hallo Andreas, da hast Du sicher eine sehr würdige Uhr zum Andenken an Deinen Freund und Kollegen ausgesucht.

Neben den eckigen Tetras habe ich ja auch eine "Schwäche" für die Reverso-Modelle.
Daher kann ich Deine Wahl und Entscheidung sehr gut nachvollziehen.
Deine "Neue" ist absolut klassisch und passt auh wunderbar an Deinen Arm.

Übrigens verkratzen die Stahlgehäuse der Reverso-Modelle nicht unbedingt schneller als bei anderen Uhren. Feine Zeichnungen sieht man kaum...
Daher unbedingt oft tragen.

Herzlichen Glückwunsch und viel Freude an ihr.
Susan

Das ist eine sehr schöne und traurige Geschichte mit einem wunderschönen Ende.

Die Uhr ist wunderschön!!
Bei der Geschichte wirst du Sie sicherlich nicht wieder hergeben, und diese Uhr kann man sich auch in 50 Jahren noch anschauen und seinen Spass daran haben.

Hallo Andreas,
Uhrenbilder kann jeder, Uhren kaufen können wir alle noch besser. Wertvoll werden diese mechanischen Geldvernichter erst durch die emotionale Bindung. Ich danke Dir für die Geschichte hinter der Uhr. Ich schaue mir schon lange diese eckigen Geräte an. Die Tetra konnte bislang nicht restlos überzeugen, Deine schon. Sowohl mit als auch ohne Sekunde eine wirklich schöne Uhr.
Grüße
Lutz

Hallo Andreas,

ich sehe es wie meine Vorredner, durch die emotionale Bindung wird die Uhr immer etwas ganz besonders für Dich sein. Und zum Gedenken hast Du eine besondere und gute Wahl getroffen.

Ich hoffe, Du wirst uns die JLC häufig zeigen.

Hallo Andreas,
das Herumschleichen um die Reverso kenne ich zur Genüge. Es war auch meine Traumuhr als ich ein paar Jahre in Saudi-Arabien gearbeitet habe. Monatelang bin ich bei den zwei Konzis um die Schaufenster geschlichen. Es kam aber immer wieder etwas dazwischen.
Deine Reverso kannte ich noch nicht. Schöne unauffällige Uhr und eine etwas traurige, dennoch bemerkenswerte, Geschichte.
Du wirst die Uhr in Ehren halten.
Viele Grüße
Karsten

Lieber Andreas. Besser kann man einem Freund nicht Tribut zollen als in "Mitzunehmen", zumindest zeitweise.

Und eine wunderschöne Uhr!

Servus.

Zitat von kdorn im Beitrag #8

---

Hallo Andreas,
Schöne unauffällige Uhr und eine etwas traurige, dennoch bemerkenswerte, Geschichte.

Karsten

---