Zitat von kdorn@ulrich Bei den Werkkonstruktionen unterscheidet man zwischen Brücken-, Platten- und Pfeilerwerke. Bei Brückenwerken werden die Lagerzapfen in der Platine und andererseits in Brücken oder Kloben gelagert. Platinen und Brücken sind spanabhebend gefertigt. Zu dieser Art der Konstruktion zählen z.B. auch die Werke in den Nomos-Uhren. Bei Pfeilerwerken sind die Lagerzapfen in einer unteren Platte und z.B. wie bei der Benu in einer 2/3-Platine gelagert. Die beiden Platten oder auch Platinen genannt, werden durch Pfeiler auf Abstand gehalten. Als in Deutschland nach dem Krieg der Bedarf an Gebrauchsuhren enorm war, waren diese Werkkonstruktionen üblich, weil man die Teile durch Stanzen herstellen konnte. Das bekannteste Werk dieser Kategorie dürfte das UMF24 aus Ruhla sein, das laut Museumsangaben über 120 Mio. Mal gefertigt wurde. Bei der Benu lagern die Zapfen der Räder und Triebe in spanend bearbeiteten Platten, die durch Pfeiler und durch die Aufzugsgruppe auf Distanz gehalten werden. Auch diese Aufzugsgruppe wurde nach dem WKII als Stanzteil hergestellt. Eine Sonderform stellt das Plattenwerk dar. Hierbei werden mindestens drei verschiedene Platten miteinander verschraubt oder vernietet und bilden die Platine, die dann der des Brückenwerks ähnlich ist. Uhrwerke dieser Art findet man vorwiegend bei Foerster, Pforzheim. Uhren tragen oft den Markennamen Forester. Ich hoffe, Du kommst mit meiner Erklärung klar. Ansonsten verweise ich auf die Fachliteratur. Viele Grüße Karsten
Hallo Karsten, zunächstmal danke für Deine freundliche und schnelle Antwort ; aber lass mich vor dem 'Griff zur Fachliteratur' doch nochmal nachfragen: Man unterscheidet Brückenwerke: Brücken und Platinen spanhebend gefertigt wie bei Nomos -wie wird hier Brücke und Platine auf Abstand gehalten?, nicht auch durch Pfeiler?
Pfeilerwerke: aus unterer Platte und oberer Platine, durch Pfeiler auf Distanz gehalten -Makel: kann und wurde nach WKII in Stanzweise massenhaft gefertigt. Aber bei Benu spanend bearbeitet, also ...?
Plattenwerke: dem Brückenwerk ähnlich, nur Platine tatsächlich aus drei aufeinandergesetzten Platten
Welche Bauweise ist hier nun eigentlich die wertigste? -wenn nicht gerade aus Stanzteilen bestehend? Welche Bauweisen finden sich z.B. bei ALS und/oder GO?
Hallo Ulrich, meiner Meinung nach stellen Brückenwerke das heute erreichbare Optimum dar. Von den Glashütter Uhrenfirmen höre ich immer wieder, dass diese Brückenwerke mit der Glashütter 3/4-Platine die stabilste Lösung in Bezug auf Verformung des Werkes sind. Diese Behauptung kann ich nicht widerlegen, weil ich meine Uhren nicht auf Eisenbahnschienen lege oder sonstige perverse Belastungsproben mit ihnen mache. In diese Kategorie würde ich auch die Werke von ALS, GO und Nomos einordnen. Das Uhrwerk der Benu ist aufgrund des Aufbaus als Pfeilerwerk mit Sicherheit nicht so stabil, was für mich aber kein Grund wäre, die Uhr nicht zu kaufen. Beim Tragen und bei der Ganggenauigkeit dürfte dies keine Rolle spielen. Ausschlaggebend für diese Werkkonstruktion dürfte der vorhandene Maschinenpark bei Grossmann gewesen sein. Pfeilerwerke sind auf preiswerte CNC-Bohrwerke zu fertigen, während Brückenwerke einen erheblich teueren Maschinenpark erfordern. Wer kauft wegen 100 Teile eine mehrachsige CNC-gesteuerte Fräsmaschine? Mit Sicherheit werden die nächsten Grossmann-Werke nach erfolgtem Umzug in die neuen Produktionsgebäude anders aufgebaut sein. Viele Grüße Karsten
Auch für Uhrenbastler gilt: Erfahrung ist die Summe der Misserfolge
Zitat von kdorn ... während Brückenwerke einen erheblich teueren Maschinenpark erfordern. Wer kauft wegen 100 Teile eine mehrachsige CNC-gesteuerte Fräsmaschine? Mit Sicherheit werden die nächsten Grossmann-Werke nach erfolgtem Umzug in die neuen Produktionsgebäude anders aufgebaut sein.
dann werden sie wohl nochmal teuerer?
Karsten, ganz herzlichen Dank für Deine erstklassige Berichterstattung und Lehrstunde im Uhrmacherwissen. Dieser Faden ist mal wieder ein absoluter horologischer Leckerbissen.
Im neuen Heel-Armbanduhren-Katalog ist die Uhr samt Werk auf S. 160 vorgestellt, aber die Werkbeschreibung ist zwar einerseits detailliert, andererseits bleibts trotzdem nebulös. Was mir auf dem Foto nicht gefällt, neben dem Logo, ist das fehlende "Gegengewicht" am Stundenzeiger.
ich bin Euch noch eine Antwort über den Rädersatz der Benu schuldig. Mit großer Wahrscheinlichkeit verwendet die Fa. Moritz Grossmann den Rädersatz des alten Unitas-Kalibers 6497-1. Bei diesem Werk schwingt die Unruh mit 2,5 Hz, also 18.000 Halbschwingungen/Stunde. Das neue ETA/Unitas 6497-2 schwingt mit 3 Hz, also mit 21.600 /h. Daher sind auch die Zähnezahlen der Räder nicht identisch. Interessierte können sich über die Änderung wie folgt informieren: Webseite http://www.eta.ch aufrufen. Auf Ausbildungszentrum gehen und etaswisslab aufrufen. Dort sind die Anleitungen zum Demontieren und Montieren einiger Werke hinterlegt, so. u. a. vom 7750-Chronographenwerk, dem Alleskönner 2892A2 und nicht zuletzt von den Unitas-Werken. Zu jedem Teil ist in der Kopfzeite ein Vermerk über die Austauschbarkeit zwischen -1 und -2 angezeigt. Da die Räderbrücke sich bei beiden unterscheidet, kann es sein, dass Alex beim Vergleich der Winkel des Benu-Werks dem des Unitas 6497-2 gegenübergestellt hat. Vielleicht stehen die Räder bei diesem Werk unter einem anderen Winkel. Ich habe für beide Werke (Grossmann 100.0 und Unitas 6497-1) folgende Zähnezahlen ermittel: Federhaus 88 Z, Minutenrad (Trieb/Zahnrad) 10/80 Z, Kleinbodenrad (oder auch als Zwischenrad bezeichnet) 10/60 Z, Sekundenrad 8/70 Z, Ankerrad 7/15 Z. Lediglich die Zähnezahl 70 beim Sekundenrad der Benu musste ich schätzen, weil es auf der Werkzeichnung teilweise verdeckt ist. Rechnerisch stimmen aber die 18.000 Halbschwingungen. Uhren mit Unitas 6497-1 gibt es ab 100 Euro im Internet. Übrigens kostete das komplette Ersatzwerk bei Flume 53,80 Euro. Wie Ihr also seht, ein enormer Wertzuwachs...
PS.: Die Rädersätze bei den Werken 6497-1 und 6498-1 und bei 6497-2 und 6498-2 sind identisch. Beim 6497-Grundwerk handelt es sich um die Lepine-Ausführung (kleine Sekunde in Verlängerung der Aufzugswelle, also bei der "9"), beim 6498-Grundwerk handelt es sich um die Savonette-Ausführung (kleine Sekunde im rechten Winkel zur Aufzugswelle, also bei der "6").
Viele Grüße Karsten
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Hallo, hier noch das Bild des Werkes ohne 2/3-Platine aus dem Benu-Prospekt. Ich habe es bewusst nur wenig verkleinert, damit die Details besser zu sehen sind. Es dauert etwas länger, das Bild zu laden, aber es lohnt sich zu warten. Viele Grüße Karsten[attachment=0]Benu.JPG[/attachment]
kdorn
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Benu.JPG
Benu.JPG
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