Ab jetzt vielleicht etwas weniger Forum lesen und stattdessen wieder mal ein gutes Buch! Soeben abgeholt und in den nächsten Tagen hoffentlich meine Lektüre:
Auszug aus dem Klappentext: "... Die Geschichte des ehrgeizigen schottischen Uhrmachers John Harrison, dem es trotz zahlreicher Anfeindungen gelingt, den perfekten Chronometer zu erfinden." Passend zur jüngst vorgestellten Neuausgabe durch Franz über das Leben Harrisons nun dieser "Bestseller" - und auch passend zur Einstimmung auf die Munichtime...
Martin
Die Zeit, die du für deine Rose verloren hast, sie macht deine Rose so wichtig (Antoine de Saint Exupéry: "Der kleine Prinz")
Nachdem ich diese Woche schon einem leidenschaftlichen Vortrag des Autors beiwohnen durfte bin ich jetzt natürlich auf sein Buch sehr gespannt. Mr. Swatch habe ich so gut wie durch, dann werde ich mir als Nächstes das hier vornehmen.
Freu dich auf jeden neuen Tag. Auch wenn die Chance besteht, dass es ein beschissener Tag wird, oder ein sehr schöner, oder ein ganz normaler. Mit wechselnder Bewölkung und 30 Prozent Regenwahrscheinlichkeit.
Zitat von s.seifertDas Buch haben wir auch - schreib' doch bitte mal, ob es Dir gefallen hat.
Gerne! Ich habe es begeistert gelesen! Doch Vorsicht: Es wird damit geworben, dass das Buch die Geschichte des Uhrmachers John Harrison und sein Lebenswerk, der Herstellung einer Uhr von einer bis dahin nicht gekannten Genauigkeit, erzählt. Man darf sich aber nicht täuschen lassen: dieses Buch von Dava Sobel ist zum Wissenschaftsbuch des Jahres gewählt worden. Und darin beschreibt sie sehr verständlich ein großes wissenschaftliches Problem des 17. und 18. Jahrhunderts, dass es nämlich durchaus leicht war, den Breitengrad zu bestimmen, ungleich schwieriger jedoch, wenn nicht sogar unmöglich, den Längengrad zu bestimmen. Dies stellte ein riesiges Problem für die Schifffahrt dar: Kapitäne wähnten sich in einer anderen Position und ihre Schiffe zerschellten, oder sie verfehlten ihr Ziel und trafen bestimmte Inseln nicht an. Viele Schiffe gingen unter, verloren Menschen und Ladung (man kann nur mutmaßen, was schwerer wiegte) oder waren monatelang länger unterwegs als geplant und Mannschaften wurden deshalb durch Krankheiten mit Todesfolge stark dezimiert. Anfang des 18. Jh. wurde deshalb von der Britischen Regierung ein Preis ausgelobt für denjenigen, dem es gelingt, eine sichere Methode der Längengradbestimmung zu entwickeln. Und an dieser Stelle tritt John Harrison ins Geschehen ein, der von dem Gedanken beseelt ist, eine Uhr zu entwickeln, die an allen Stellen der Erde unter den schwierigsten klimatischen Bedingungen so genau ging, dass es mit ihrer Hilfe (indem sie die Referenzzeit von London, später Greenwich, anzeigte) möglich wäre, den Längengrad festzulegen. Dies war bis dahin nicht möglich, weil alle Zeitmesser schlichtweg sehr ungenau gingen. Der gelernte Schreiner Harrison hatte es dann geschafft, eine solche Uhr - den ersten Chronometer - zu konstruieren, doch im Rennen um das Preisgeld von 20.000 Pfund stand er sehr mächtigen Gegnern gegenüber. Letztlich lief es auf einen Dauerkampf der Wissenschaften gegen das Handwerk hinaus.
Dava Sobel erzählt sehr spannend die Geschichte dieser Suche nach (zumeist von Astronomen verfolgten) Lösungsvorschlägen, spannt den Bogen von Gallilei und den von ihm entdeckten Jupitermonden über alle möglichen anderen Berechnungsarten, anhand von Sternkonstellationen und Mondabständen zu genauen Positionsbestimmungen zu kommen, hin zu Harrisons Idee und Schaffen, dies Problem mithilfe der Mechanik zu lösen. Dann geht es natürlich um Harrisons Entwicklung verschiedener Uhrenmodelle sowie um politische Machtspiele und Intrigen gegen ihn im Zusammenhang mit der Längengradkommission, die über den Preis zu bestimmen hatte. Und dies alles, weil ja nicht sein konnte, was nicht sein durfte.
Ich kann diese Lektüre jedem Uhrenfreund empfehlen. Ich jedenfalls habe um die elementare Bedeutung der Uhr für die Schifffahrt in diesen Dimensionen nicht gewusst. Nach diesem Buch weiß ich nicht nur viel mehr, sondern habe einen guten Einblick in das Pionierwesen der Uhrmacherei erhalten. Und so, wie viele heute die gängigen Kultmodelle verschiedenster Hersteller kennen und in einschlägigen Museen bewundern, so kann ich es kaum erwarten, diese legendären Uhren Harrisons (H1 - H4) im Londoner National Maritime Museum oder in der dortigen Sternwarte mal bewundern zu dürfen!
Jetzt wäre eigentlich das von Franz vorgestellte Buch über Harrison dran. Das Titelbild dieses Buches dürfte übrigens von einem Gemälde stammen, auf das die Autorin Dava Sobel auch länger eingegangen ist.
Beste Lesegrüße, Martin
Die Zeit, die du für deine Rose verloren hast, sie macht deine Rose so wichtig (Antoine de Saint Exupéry: "Der kleine Prinz")
Wie schön zu erfahren, dass es darüber auch ein Buch gibt! Ich habe mir schon zwei Mal einen Doku-Film über Harrison auf Phoenix angesehen und war verblüfft und begeistert, mit welchem Erfindergeist und handwerklicher Fertigkeit damals schon solche Präzisionsinstrumente erdacht und hergestellt werden konnten. War für mich neu. (Da war ich noch nicht uhrinfiziert und kannte dieses Forum noch nicht.) Spannend auch, wie das adelige Establishment den kleinen Handwerker maltraitiert hat, und dass ihm erst im hohen Alter durch den König Anerkennung widerfahren ist. Wer weiß, wie viele große Talente der Menschheit durch den Standesdünkel der feudalen Klassengesellschaft verlorengegangen sind. "Rot und Schwarz" von Stendhal fällt mir zum Thema Aufstiegschancen gerade ein; war auch kein schlechtes Buch. In England scheint sich das mit der Klassengesellschaft bis heute gehalten zu haben. Ich habe während meiner Zeit in Kanada einige englische expatriates kennengelernt, die heilfroh waren, diesbezüglich in ihrer neuen Heimat durchlässigere Verhältnisse vorzufinden.
Freu dich auf jeden neuen Tag. Auch wenn die Chance besteht, dass es ein beschissener Tag wird, oder ein sehr schöner, oder ein ganz normaler. Mit wechselnder Bewölkung und 30 Prozent Regenwahrscheinlichkeit.
A propos Kanada - hier mal was von einem kanadischen Autor:
Mordecai Richler "Wie Barney es sieht" (Original: "Barney's Version")
Das witzigste Buch, das ich in letzter Zeit gelesen habe. Ein streitsüchtiger alter Grantler lässt sein Leben Revue passieren - herrlich boshaft und komisch, spart nicht mit Spitzen gegen kanadische Befindlichkeiten, e.g. über den kanadischen Literaturbetrieb, Angst vor amerikanischer kultureller Überfremdung und die Separatismuszickereien der frankokanadischen Minderheit in Quebec. Man muss aber beileibe kein Kanadakenner sein, um sich köstlich zu amüsieren. Die Übersetzung ist durchaus gelungen, wenngleich ihr auch einiges an Original-Sprachwitz zum Opfer fällt.
Bei Amazon ist das Buch leider nicht vorrätig, aber die Rezensionen sind sehr treffend; ich könnte es nicht besser sagen:
Freu dich auf jeden neuen Tag. Auch wenn die Chance besteht, dass es ein beschissener Tag wird, oder ein sehr schöner, oder ein ganz normaler. Mit wechselnder Bewölkung und 30 Prozent Regenwahrscheinlichkeit.
Zu Harrison: Wenn ich es richtig verstanden habe war es nicht die feudale Klassengesellschaft, die Harrison das Leben so schwer gemacht hatte, sondern eher der Standesdünkel. Es war einfach so, dass man es sich nicht vorstellen konnte, dass das Problem mit einer - im Vergleich zur hehren Wissenschaft der Astronomie - vergleichsweise so "minderwertigen" Methode der Mechanik gelöst werden konnte. Auch die Entwicklung eines Zeitmessers mit dieser Genauigkeit war fernab jeglichen Vorstellungsvermögens. Die Lösung musste einfach von den Wissenschaftlern kommen, beschäftigten sie sich doch schon jahrhundertelang mit den Sternen, auch in Zusammenhang mit diesem Problem, und galt ihre Beschäftigung doch als eine der vornehmsten unter den Wissenschaften. Das konnte doch nicht alles für die Katz' sein, indem ein dahergelaufener Mechanicus dies Rätsel löst und den Weisen die Butter vom Brot nimmt. Dies hat dem John Harrison das Leben so schwer gemacht und zu immer neuen, verschärften Auflagen seitens der Längengradkommission geführt.
Zu Mordecai Richler: Danke für den Tipp! Hört sich sehr interessant an. Schau mal bei http://www.booklooker.de. Dort gibt es das Buch für 6,00 Euro und drunter!
Grüße, Martin
Die Zeit, die du für deine Rose verloren hast, sie macht deine Rose so wichtig (Antoine de Saint Exupéry: "Der kleine Prinz")
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