Nach schönen Sommertagen und einem erholsamen Urlaub auf „meiner“ Insel mal wieder ein kleiner Bericht aus meiner Bastelstube. Die an die fünfzig Batteriewechsel der letzten Monate waren ja nicht erwähnenswert.
Im Moment liegen zwei Taschenuhren eines lieben Forumsmitglieds hier auf meinen Tisch. Bei einer von ihnen übersteigen die zu erwartenden Ersatzteilkosten den Wert der Uhr bei weitem. Auch in meinem Fundus finde ich nichts Brauchbares. Das Werk datiere ich mal auf die Zeit um dem WK I. Der Werkdurchmesser beträgt 15 Linien und Uhren mit diesem kleinen Taschenuhrwerk werden in der Bucht kaum angeboten.
Die zweite Uhr hat ein sehr schönes Werk. Die Aufzugsfeder war am angebogenen Endhaken gebrochen und rutschte wie bei einer Automatikuhr nach 1,5 Umdrehungen der Krone durch. Die Uhr lief nur ca. vier Stunden. Nachdem ich dann am Federende einen neuen Endhaken gebogen hatte, konnte ich die Uhr wieder bis zum Anschlag aufziehen. Beim zweiten Durchgang ist die Feder dann nochmals gebrochen, allerdings nicht in der Nähe des Endhakens sondern irgendwo in der zweiten Windung. Eine neue Feder ist auf dem Weg. Zwischenzeitlich habe ich das Werk komplett zerlegt, gereinigt, neu geölt und bis auf das Federhaus wieder zusammengebaut. Wenn die neue Feder kommt, wird sie sofort eingesetzt und die Uhr zum Probelauf aufgezogen. Mal sehen, was sie auf der Zeitwaage sagt. Ich berichte weiter.
Sehr schön, Karsten, und danke für deinen erneuten kleinen Bericht. Da lese ich immer gerne mit und freue mich, wenn die alten Stücke wieder ans Laufen gebracht werden können.
Markus
Wende dein Gesicht der Sonne zu, dann fallen die Schatten hinter dich. (Afrikanisches Sprichwort)
Hallo, am Montag kam eine weitere Taschenuhr auf meinen Tisch. Nach der Reinigung folgen Bilder des Werkes. Was mich aber überrascht hat, war das Zifferblatt. Emailliert und mit drei !!! Zifferblattfüßen versehen. In den vielen Jahren habe ich noch niemals ein solches Zifferblatt gesehen. Ich würde mich gern darüber mit Siegfried austauschen ...
Hallo, die Longines läuft jetzt wieder. Die Reinigung war sehr zeitintensiv. Ein Voruhrmacher (?) hatte wohl die Uhr mit Knochenöl gangbar gemacht. Alle Teile waren total verkrustet, besonders die Aufzugsfeder. Ich habe die Krusten nach dem ersten Bad mittels Holzzahnstocher entfernt und dann noch einmal ins Ultraschallbad gegeben und zusätzlich die Zähne mit einer harten Zahnbürste gereinigt. Dann konnte die Montage beginnen. Vor der Reinigung lief die Uhr etwa zwei Stunden, jetzt wieder ca. 35 Stunden. Leider geht sie am Tag ca. zwei Minuten vor. Eine Regulierung ist nur über die Schraubenunruh möglich, weil die mir bis dato nicht bekannte Feineinstellung nur Korrekturen von +/- 10 Sekunden je Tag zuläßt. Da mir ja mein Bekannter sagte, dass er die Uhr nur zum guten Zwirn tragen will, kann er diese Abweichung wohl tolerieren. Wenn ich die Regulierung ohne Unruhwaage vornehme, könnte ich durch eine Unwucht der Unruh mehr Schaden anrichten.
Hallo, die Reparatur der in #51 gezeigten Uhr verzögert sich. Ich hatte eine passende Aufzugsfeder im Ebay bestellt und sie sollte auf dem Weg sein. Nach ca. 10 Tagen habe ich die Feder angemahnt, jedoch nie erhalten. Der Kaufbetrag wurde mir aber zwei Tage später auf mein PayPal-Konto gutgeschrieben. Was exakt passiert ist, kann ich nicht in Erfahrung bringen. Gestern habe ich bei einen anderen Verkäufer eine neue Feder bestellt. Sie soll bis Freitag bei mir eintreffen. Ich hoffe, dass ich dieses Mal mehr Glück habe. Viele Grüße Karsten
Auch für Uhrenbastler gilt: Erfahrung ist die Summe der Misserfolge
Hallo, ich habe weiter gesucht, und zwar nach der eigenartigen Feinregulierung im Beitrag #54 und habe einiges gefunden. Diese Feinregulierung wurde am 31.8.1891 vom Schweizer Patentamt unter der Nr. 3884 für den damaligen Longines-Besitzer Ernest Francillon patentiert. Sie kam in hochwertigen Uhren zum Einsatz. Das Cal. 19.58 war das erste, in dem es eingebaut wurde. Longines hat dieses Kaliber mit kleinen Abwandlungen bis nach dem WK I gebaut. Ich kann also davon ausgehen, dass die von mir revidierte Taschenuhr aus dieser Zeit stammt.
Das Foto der ersten Seite der Patentschrift habe ich auf der Website der Firma „avvus.de“ gefunden. Die Firma avvus bezeichnet sich als Manufaktur und hat ihren Firmensitz in Dresden.
Viele Grüße Karsten
Auch für Uhrenbastler gilt: Erfahrung ist die Summe der Misserfolge
Ich sah sowas bisher noch nicht. Der Aufwand der dargestellten Reglage ist schon erheblich, aber die Lösung sieht recht brauchbar aus. Aber vermutlich leider nix für größere Stückzahlen. Und deshalb ausgestorben. (so wie Vieles was man heut nur noch im Museum bestaunen kann) @kadorn : danke für die Details !
@Theo, @Ticker Ja, diese Feinjustierung ist auch wohl deshalb in dieser Form gestorben, weil sie nur in Verbindung mit einer Schraubenunruh funktionierte. Der Verstellbereich war sehr klein (wie ich oben schrieb +/- 10s/d) und somit mußte über die Regulierschrauben und mit der Unruhwaage (um eine Unwucht zu vermeiden) der Gang voreingestellt werden. Erst wenn dieser annähernd stimmte, konnte die Feineinstellung durch Bewegen des Zeigers vorgenommen werden. Welcher Uhrmacher kann heute noch eine Unruh sauber einstellen? Diese Tätigkeit fällt in einer normalen Uhrmacherwerkstatt kaum noch an, und deshalb fehlt die absolut notwendige Erfahrung. Viele Grüße Karsten
Auch für Uhrenbastler gilt: Erfahrung ist die Summe der Misserfolge
@kdorn - Hallo Karsten. Gab es damals nicht kleine Unterlegscheiben für die Schraubengewichte bei solchen Unruhen. Durch diese Scheibchen wurde außen mehr Gewicht angelagert, um die die Schwingfrequenz herabzusetzen. - Oder irre ich micht?
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